Mannschaft und Fans nach dem ersten Sieg der Bundesligageschichte am neunten Spieltag gegen Heidenheim
Riesengroß war die Vorfreude bei allen Fußball-Fans in Kiel und ganz Schleswig-Holstein nach dem Aufstieg. Zahlreiche Bundesliga-Spieltage waren echte Festtage. Wir blicken zurück auf die zweite Jahreshälfte.
Die Heimspiele nahezu restlos ausverkauft, auswärts mit rund 2.800 Schlachtenbummlern im Schnitt voller Euphorie und auf dem Rasen trotz des anfänglichen Lehrgelds forsch, leidenschaftlich und risikofreudig: Unsere KSV Holstein ist mit Erfolgstrainer Marcel Rapp in der Bundesliga angekommen und lernt von Spiel zu Spiel dazu. Beim VfL Bochum (2:2) und in Leverkusen (2:2) sicherten sich unsere Störche die ersten beiden Zähler. Vor allem das Remis beim amtierenden Deutschen Meister sei „ein toller Punkt für uns kleine Gallier aus Kiel“, meinte Kapitän und Routinier Lewis Holtby voller Stolz und reckte die Faust in Richtung der rund 3.000 mitgereisten Kieler Fans.
Mit dem Hochgefühl des sensationellen Punktgewinns bei der Werkself konnten die Störche Anfang Oktober in die Länderspielpause gehen. Mit dem Überraschungscoup in Leverkusen ließen die Nordlichter in jedem Falle aufhorchen. Das Vertrauen in die eigenen Stärken hatte ganz offensichtlich auch die torreichen Niederlagen gegen Bayern München (1:6) und Eintracht Frankfurt (2:4) überdauert. „Nach dem schlechten Saisonstart haben wir nie unsere Identität verloren“, lobt Rapp seine Mannschaft. Wenn man in der Bundesliga punkten will, darf man besonders als Aufsteiger allerdings nicht immer auf ein Feuerwerk oder fußballerische Galavorstellungen hoffen.
Wenn die Gegenspieler auf dem grünen Rasen Harry Kane, Florian Wirtz oder Omar Marmoush heißen, dann ist nämlich aller härteste Arbeit, Konzentration und mitunter beinharter Einsatz gepaart mit der notwendigen Portion Glück von Nöten. „Wenn du es lange in Schlagdistanz hältst, dann kann ein kleines Wunder passieren und das ist zuletzt gegen den Meister geschehen“, lautete Fiete Arps Fazit nach dem Paukenschlag in Leverkusen.
Holtby-Appell im Oktober
Der Oktober brachte für unsere Jungs noch nicht das erhoffte Ende der Ergebniskrise. Zuhause gegen Union Berlin (0:2), vor fast 60.000 Zuschauern beim Vizemeister VfB Stuttgart (1:2) und vor allem bei der bitteren 0:3-Pokalniederlage vor 50.000 Zuschauern beim Zweitligisten 1. FC Köln stotterte der KSV-Motor noch erheblich. Doch Kapitän Holtby appellierte an die Holstein-Fans: „Bitte verliert den Glauben nicht, wir dürfen die Hoffnung nie aufgeben!“
Gegen den 1. FC Heidenheim löste sich dann am 9. Spieltag die Anspannung in einem hoch emotionalen Akt der Begeisterung. Das Holstein-Stadion zeigte eindrucksvoll, dass es noch immer wie ein Fels hinter der Mannschaft stand. Vorsänger „Kirsche“ übernahm das Mikro von Stadionsprecher York Lange und schwor das gesamte Publikum mit emotionalen Worten ein. „Wir dürfen nie vergessen, wo wir herkommen“, forderte der Vorsänger der Ultra-Gruppe „New Connection“. Der Fanblock präsentierte sein Banner mit der Formulierung eines klaren Wunsches: „Don‘t stop believin“.
Der unvergessliche erste Sieg in der Bundesliga
Als am Ende der erste Sieg Schleswig-Holsteins in der Bundesliga unter Dach und Fach war, explodierte das altehrwürdige Holstein-Stadion förmlich, der legendäre Holsteingeist brachte die traditionsreiche Stätte zum Beben. „Wir freuen uns sehr, dass Holstein nach 61 Jahren wieder ein Sieg in der Erstklassigkeit gelungen ist“, strahlte Trainer Marcel Rapp und erinnerte traditionsbewusst an glorreiche Zeiten der Störche in der erstklassigen Oberliga Nord.
Bittere Niederlagen gegen Bremen und Mainz
Leider ließ die Punkteausbeute der Störche auch in den Partien gegen den SV Werder Bremen, 1. FSV Mainz 05 und FC St. Pauli zu wünschen übrig. Im ausverkauften und hell erleuchteten Weserstadion hatten sich die Zuschauer am 10. Spieltag schon auf ein schiedlich-friedliches Remis eingerichtet, als sich der Bremer Oliver Burke hochschraubte. Der eingewechselte Schotte stand wie eine Eins in der Luft und köpfte den Ball in der 89. Minute ins Tor – 2:1 für Werder, das Weserstadion hob ab, Holstein trauerte dem verlorenen Zähler hinterher. Dabei sah alles so gut aus, nachdem Phil Harres kurz nach dem Wiederanpfiff den Bremer Führungstreffer durch Jens Stage egalisiert hatte.
Gegen den 1. FSV Mainz 05 und die beiden Ex-Störche Robin Zentner und Jae-sung Lee wollten sich die Störche endlich wieder belohnen, doch die Zuschauer im Holstein-Stadion sahen eine einseitige Partie mit Mainzer Dauerdominanz. Ausgerechnet Lee war als ständiger Unruheherd nie zu bremsen und krönte seine starke Leistung an alter Wirkungsstätte mit dem Kopfballtor zum 3:0-Endstand.
Niederlage beim Mitaufsteiger
Auch am Hamburger Millerntor blieb der Befreiungsschlag der Störche aus. Am Freitagabend, den 30. November, mussten sich die Störche beim FC St. Pauli geschlagen geben. Rapps Mannschaft unterlag dem Mitaufsteiger vor 29.546 Zuschauern im ausverkauften Millerntor-Stadion mit 1:3. Unglücksrabe an der Hamburger Amüsiermeile war Fiete Arp. Der Stürmer scheiterte wenige Sekunden vor dem Halbzeitpfiff vom Elfmeterpunkt und verpasste so den Ausgleichstreffer: „Es tut brutal weh. Wir haben es in der ersten Halbzeit gut angenommen, bekommen dann aber mit der ersten richtigen Chance das Gegentor. Wenn ich den Elfmeter mache, sieht die Welt ganz anders aus.“ Doch trotz der Negativserie untermauerte Geschäftsführer Sport Carsten Wehlmann das Vertrauen der Vereinsführung in Cheftrainer Marcel Rapp: „Wir stehen alle so dicht zusammen, da passt kein Blatt Papier dazwischen. Deswegen sind wir auch ein anderer Klub als die anderen!“
Angesichts der klangvollen Namen RB Leipzig und Borussia Mönchengladbach war die Vorfreude vor dem 14. und 15. Spieltag erneut riesengroß, auch wenn die Personaldecke erhebliche Lücken offenbarte. Die Gäste aus Leipzig gingen nach 27 Minuten durch Benjamin Šeško in Führung, Loïs Openda erhöhte in der 69. Spielminute auf 2:0. Holstein hatte durch Steven Skrzybski (66.) und Phil Harres (77.) ausgezeichnete Möglichkeiten, war im zweiten Durchgang sogar mindestens auf Augenhöhe, konnte aber gleich mehrere gute Abschlussgelegenheiten leider nicht zu Torerfolgen nutzen. Letztlich zeigten sich die Sachsen im Holstein-Stadion abgezockter und nahmen die Punkte mit.
In Gladbach setzte sich die Negativserie der Störche vor über 52.000 Zuschauern fort, denn Nationalstürmer Tim Kleindienst brachte die Fohlen-Elf bereits nach 37 Sekunden per Kopf in Führung und Robin Hack erhöhte kurze Zeit später auf 2:0 für die Platzherren. Ein Traumtor von Armin Gigovic aus etwa 22 Metern in den rechten oberen Winkel (30.) sorgte noch einmal für Hoffnung. Gladbachs Präsident und Weltmeister Rainer Bonhof meinte später: „Wenn Kiel nach dem Anschlusstreffer weiter gedrängt hätte, dann wäre es für uns wohl nochmal problematisch geworden.“ Doch stattdessen drehte die Borussia nochmal auf und siegte am Ende mit 4:1. Marcel Rapp sagte anschließend: „Auch wenn die Qualität der Gegner extrem hoch ist, müssen wir versuchen, noch aufmerksamer zu verteidigen.“
Nach dem 1:4 bei Borussia Mönchengladbach gab es im Storchennest nicht viel zu beschönigen. Kapitän Lewis Holtby gab zu, wie stark ihn die aktuelle Lage mitnehme: „Die Situation geht mir bis ins Mark. Es ist gerade extrem schwierig für uns. Aber Aufgeben ist keine Option. Ich habe noch den Glauben, dass bessere Zeiten kommen. Ich bin schon lange im Fußball dabei und weiß: Nach ganz ekelhaftem Regen kommt auch gerne wieder ein Regenbogen.“
Ein Fußballfest zum Jahresabschluss
Und dieser metaphorische Regenbogen zeigte sich bereits am darauffolgenden Spieltag im Holstein-Stadion, als der FC Augsburg im letzten Spiel des Jahres zu Gast war. Obwohl der Start erneut missglückte und unsere Störche früh einem Rückstand hinterherlaufen mussten, spielte sich Rapps Team anschließend in einen Rausch. Lasse Rosenboom (12.) konnte nach Vorlage von Shuto Machino ausgleichen, ehe drei Treffer in sieben Minuten das Spiel zugunsten der Kieler entschieden. Phil Harres mit einem Doppelpack (32., 35.) sowie Machino mit einem traumhaften Freistoß (39.) versetzten das Holstein-Stadion noch vor der Pause in Ekstase. Den Schlusspunkt setzte erneut Machino, der gegen den FCA ganze vier Torbeteiligungen sammelte – einer von vielen Bundesligarekorden an diesem historischen Nachmittag.
Damit beendeten unsere Störche ein Jahr voller Highlights mit dem höchsten Sieg ihrer Bundesligageschichte. Daran gilt es, im kommenden Jahr anzuknüpfen. Weitere Erfolgserlebnisse wie diese in der Bundesliga dürften auf der Wunschliste aller Holstein-Fans für 2025 ganz weit oben stehen.