„Wir sind auf einem guten Weg“

Markus Anfang zieht vor dem Saisonendspurt eine Zwischenbilanz

Markus Anfang und sein „Co“ Tom Cichon trainieren seit August vergangenen Jahres die Ligamannschaft der KSV Holstein. Unter ihrer Leitung wurden die Störche die heimstärkste Mannschaft der 3. Liga. Sie bieten auch auswärts einen attraktiven Fußball und bewegen sich seit Saisonbeginn in der Spitzengruppe. Vor dem Endspurt zieht Markus Anfang in einem Interview mit dem Stadionmagazin eine Zwischenbilanz.

Die Vereinsführung hat einen Drei-Jahres-Plan aufgestellt, an dessen Ende der Aufstieg in die 2. Liga stehen soll. In dieser Saison wurde als Ziel ein Platz unter den Top Sechs ausgegeben. Sind diese Vorgaben aus Sicht des Trainers zu ehrgeizig? Vielleicht sogar belastend?

Nein. Wir haben auch ja gerade wegen dieser Zielsetzung in Kiel unterschrieben. Auch wir wollen Erfolg haben und hier sind die Voraussetzungen vorhanden, um tatsächlich gemeinsam etwas Großes erreichen zu können. Unser Anspruch muss sein, mit dieser Mannschaft in dieser Saison einen Platz im oberen Tabellendrittel zu erreichen. Ob das dann am Ende tatsächlich gelingen wird, hängt im Fußball auch von vielen Faktoren ab, auf die wir wenig Einfluss haben. Wie Verletzungen beispielsweise. Auch eine Portion Glück in der einen oder anderen Partie kann nicht schaden, bisher hatten wir davon noch nicht so viel.

Aber…

…der Druck ist kein Problem, den müssen Trainer und Spieler aushalten, schließlich betreiben wir ja Leistungssport, weil wir gewinnen wollen. Wir setzen uns selbst unter Druck, aber einen positiven. Im Verein spüren wir eine gute Stimmung und fühlen uns auch von den Verantwortlichen nicht unter Druck gesetzt. Ich würde mir aber wünschen, dass in der öffentlichen Wahrnehmung etwas mehr berücksichtigt wird, wie viel Zeit eine Mannschaft braucht, um eine zu werden.

Wie lange dauert es denn, bis aus vielen guten Spielern auch eine erfolgreiche Mannschaft wird?

Könnte ich das vorhersagen, würde ich mein Geld als Wahrsager verdienen. Was ich aber weiß, ist, dass wir uns mitten in einem Prozess befinden, der sich gut anfühlt. Dazu gehören leider auch Rückschläge wie beispielsweise die Niederlage in Osnabrück (1:2, d. Red.). Da haben wir in der ersten Halbzeit gar nicht stattgefunden, in Münster (1:1, d. Red.) erging es uns in der zweiten so. Das wünschen wir uns als Trainer natürlich anders, wir können auch verstehen, dass die Fans dann genervt sind. Sie nehmen lange Reisen auf sich, um uns zu unterstützen. Aber wichtig ist, dass die Mannschaft aus solchen Spielen die richtigen Schlüsse zieht, daraus lernt. Daran wächst. Und das tut sie.

Sind diesbezüglich andere Vereine der KSV ein Stück voraus?

Was den Entwicklungsprozess angeht sicherlich. Wir haben im Sommer acht neue Spieler verpflichtet, im Winter kamen noch einmal vier hinzu. Das dauert, bis sich alle an alles – neue Umgebung, neue Mannschaft, neues System – gewöhnt haben. Aber inzwischen sind auch die vier Spieler, die in der Winterpause zu uns gekommen sind, voll integriert. Christopher Lenz hatte dabei den großen Vorteil, schon das Trainingslager mitgemacht zu haben. Er hatte deshalb einen dreiwöchigen Vorsprung auf die anderen drei. Natürlich hätten wir gerne alle Spieler im Trainingslager dabei gehabt, aber da das Transferfenster erst drei Wochen danach endete, ist das ein Wunschdenken. Aber: Jetzt hat mit Marvin Ducksch ein weiterer Winter-Neuling schon dreimal in der Startformation gestanden und gegen Duisburg (2:0, d. Red.) schon sein erstes Tor erzielt. Auch Ilir Azemi und Joel Gerezgiher werden uns in den nächsten Spielen noch helfen können, da bin ich mir sicher.

Ein Blick auf die Tabelle verrät, dass die Mannschaften in der Tabelle oben stehen, die im Kern seit Jahren den gleichen Kader haben. Ein Zufall?

Nein, das ist das Rezept für den Erfolg. Eine gewachsene Mannschaft hat eine andere Konstanz, geht mit Misserfolgen anders um als eine, die sich gerade im Aufbau befindet. Dem MSV Duisburg ist es trotz des Abstiegs gelungen, das Gerüst zu halten. Der 1. FC Magdeburg spielt seit Jahren mit einer nahezu unveränderten Mannschaft, die Sportfreunde Lotte auch. Sie sind mit dieser Mannschaft aufgestiegen, die Spieler wissen also, dass sie in dieser Konstellation Erfolg haben können. Da ist es auch nicht entscheidend, ob es sich dabei in dieser Liga um einen ehemaligen Zweitligisten oder einen ehemaligen Regionalligisten handelt. Viel wichtiger ist, ob die Mannschaft eine Einheit bildet. Bestes Beispiel ist aktuell doch der FSV Zwickau. Auch diese Mannschaft ist gewachsen. Sie hat, was nicht verwunderlich ist, ihre Zeit gebraucht, um sich nach dem Aufstieg an die neue Spielklasse zu gewöhnen. Aber seit der Winterpause gehört der FSV zu den Top-Teams der Liga und hat sich aus dem Tabellenkeller herausgearbeitet.

Wird die KSV denn eines Tages auch eine solch gewachsene Einheit bilden?

Warum nicht? Die Weichen sind gestellt, viele Spieler auf die wir setzen haben bereits langfristige Verträge. Mit Dominik Schmidt hat gerade ein weiterer Führungsspieler bis Juni 2019 verlängert. Das ist auch ein wichtiges Signal, dass die Spieler auch daran glauben, dass wir hier gemeinsam etwas Großes erreichen können. Wir alle müssen dabei aber Geduld haben, die Vergangenheit hat gezeigt, dass am Ende die Vereine Erfolg haben, die in Ruhe arbeiten, die auch in schwierigen Zeiten nicht die Nerven verlieren. Wir verschließen uns dem kurzfristigen Erfolg natürlich nicht, aber in der Regel stellt sich der nur über viel Arbeit, Geduld und Zeit ein.

Es heißt immer wieder, die KSV passe mit ihrer Philosophie, mit spielerischen Mitteln zum Erfolg zu kommen, nicht in eine Liga, in der Fußball in erster Linie gearbeitet wird….

…diese Ansicht teile ich nicht. Fußball besteht ja nie immer nur aus schönen Pässen, Dribblings und Volleyschüssen. Die Mischung muss stimmen. Wir können mit unserer Mannschaft, die über eine hohe Qualität verfügt, auf die spielerische Art Punkte sammeln. Wir können aber auch anders, das haben wir im bisherigen Saisonverlauf bereits wiederholt gezeigt. Dann, wenn in erster Linie die Mentalität gefragt gewesen ist.

Stichwort Mentalität. Wie entwickelt eine Mannschaft die so oft zitierte Siegermentalität?

Es klingt vielleicht etwas widersprüchlich, aber die Siegermentalität entsteht durch Erfolge. Die Mannschaft muss die Erfahrung gemacht haben, gemeinsam erfolgreich sein zu können. Auch einmal enge Spiele gewonnen, Rückstände aufgeholt zu haben. Die Siegermentalität entsteht mit Siegen. Da war es für uns beispielsweise ein wichtiges Erlebnis, das Heimspiel gegen den SC Paderborn nach einem 0:1-Rückstand noch mit 2:1 gewonnen zu haben. Das war, wie man im Fußball oft sagt, ein „dreckiger Sieg“. Aber solche Erlebnisse prägen. Sie geben der Mannschaft die Gewissheit, dass sie jedes Spiel gewinnen kann. Egal, wie hoch der Rückstand ist. Egal, wann ein Tor für den Gegner fällt. In Mainz (3:0, d. Red.) ist es uns nun endlich einmal gelungen, nach einem Heimsieg auch auswärts nachzulegen. Wir sind auf einem guten Weg.

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