Der Familienmensch

Atakan Karazor über Familie, türkische Wurzeln und Liebe zur Küste

Atakan Karazor kam im Sommer von Borussia Dortmund II zu den Störchen und verpasste mit einem Innenbandriss im Sprunggelenk fast die gesamte Vorbereitung. Inzwischen hat sich der defensive Mittelfeldspieler in den Kader von Markus Anfang gearbeitet, im ersten Spiel nach der Winterpause, dem 2:2 gegen Union Berlin, stand der 21-Jährige erstmals von Beginn an auf dem Feld. Im Buchstabenporträt spricht Karazor unter anderem über die Familie, seine türkischen Wurzeln und seine Freundschaft zu Marvin Ducksch.

Anfang: Im Sommer 2017 wechselte ich zu Holstein Kiel. Obwohl ich mich mit der Mannschaft auf Anhieb super verstand, war mein Start durchwachsen: Kurz nach Beginn der Vorbereitung habe ich mich im Training verletzt, musste länger pausieren. Für mich war das ein herber Rückschlag. Wenn man neu in eine Mannschaft kommt, muss man sich erst einmal beweisen und vor allem die neuen Taktiken des Trainers kennenlernen. Das blieb mir vorerst verwehrt. Trotz allem bin ich sehr froh, dass wir gut in die Saison gestartet sind und ich die Verletzung – auch dank meiner Mannschaft – kuriert habe.

Türkei: Meine Eltern stammen beide aus der Türkei und kamen schon als Jugendliche gemeinsam mit meinen Großeltern nach Deutschland. Sie zogen dann nach Essen, da sind meine Geschwister und ich auch geboren. Trotzdem fliegen wir gerne in die Heimat meiner Eltern, dort leben viele Verwandte. Die Türkei ist einfach ein Ort zum Wohlfühlen!

Abschied: Bevor ich zu Holstein Kiel wechselte, habe ich mit meiner Familie in NRW gewohnt. Mein großer Bruder nannte mich immer ein „Muttersöhnchen“ und das bin ich auch heute noch. Der Abschied von meiner Familie fiel mir schwer, für meine Mutter war er aber vermutlich noch schlimmer. Nicht zu sehen, wie meine beiden kleinen Schwestern – sie sind 15 und 18 Jahre alt – erwachsen werden, ist nicht leicht für mich. Auch meine Tante und meine Cousins gehörten zu meinem Alltag. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht an meine Familie denke oder sie kontaktiere. Abschiede sind immer schwer, aber das Bündnis zu meiner Familie ist stärker. Das ist das, was mir die Kraft dazu gibt, hier alleine auf eigenen Beinen zu stehen.

Kiel: Ich bin in NRW umgeben von Großstädten aufgewachsen. Eigentlich hätte Kiel eine große Umstellung für mich bedeuten müssen. Überraschenderweise habe ich mich hier aber sofort gut eingelebt. Es ist viel ruhiger als in meiner Heimat, vor allem am Meer. Das Meer besuche ich fast täglich, ich habe diese Ruhe sehr gerne. Trotzdem kann man hier viel mit Freunden unternehmen und auch mal Action haben, wenn man es braucht. Die Jungs aus meiner Mannschaft sind ohnehin top und wenn ich sehe, wie die Fans für die Mannschaft brennen, bin ich beeindruckt.

Amerika: Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten… Ich war schon in vielen verschiedenen Ländern, nur leider in Amerika noch nicht. Der Kontinent ist mein absolutes Traumreiseziel. Einige meiner Freunde waren schon dort und wenn sie mir von ihren Erlebnissen erzählen, bekomme ich sofort selbst Lust, Amerika zu besuchen. Normalerweise mag ich es ruhiger, aber gegen ein Abenteuer habe ich auch nichts einzuwenden. Vielleicht klappt es ja in der Sommerpause, dort Urlaub zu machen.

Niederlage: Ich will immer gewinnen und hasse verlieren. Trotzdem weiß ich, dass Niederlagen überall warten – im Sport und im Alltag. Einige große Sportler sagen, dass sie erst durch Niederlagen so erfolgreich geworden sind. Sie haben Recht – Niederlagen bieten immer wieder die Chance, sich weiterzuentwickeln. Und irgendwann gewinnt man dann wieder.

Kindheit: Seitdem ich denken kann, bin ich fußballverrückt. Die Liebe zum Fußball habe ich auf jeden Fall von meinem Vater. Er hat schon in der Türkei Fußball gespielt und musste seinen Traum vom Fußballprofi in Deutschland aufgeben. Den hat er dann an mich vererbt und mich, immer wenn es ging, zum Fußballspielen rausgeschickt. Ich verbrachte fast die gesamte Zeit auf dem Bolzplatz, kickte zusammen mit meinem Bruder und meinem Cousin. Oft spielten wir mit Freunden oder gegen andere Kinder der Nachbarschaft. Wenn wir mal nicht auf dem Bolzplatz zu finden waren, spielten wir Videospiele oder ärgerten den Hausmeister. Langweilig wurde uns nie, wir hatten immer was zu tun. Aber eins war sicher: Sobald Mamas Essen fertig war, waren wir alle Zuhause. Ich denke sehr gerne an meine Kindheit zurück, es war einfach die beste Zeit.

Ata: „Ata“ ist mein Spitzname. Ich glaube, als Erster hat mich mein Bruder so genannt, dann verbreitete er sich wie ein Virus. Selbst meine Lehrer riefen mich so auf. Seitdem stelle ich mich den meisten Menschen auch nur mit „Ata“ vor, weil ich es selbst nicht anders gewohnt bin. Nur eine nennt mich noch bei meinem vollen Namen „Atakan“, und das ist meine Mutter.

Rapmusik: Ich höre sehr gerne Rapmusik. Deutschrap begleitet mich schon seit meiner Jugendzeit. Ich finde Rap authentisch, er entspricht den Tatsachen und der Realität. Trotzdem mag ich keine Musik voller Schimpfwörter. Natürlich höre ich auch sehr gerne andere Musikrichtungen wie Black oder Hiphop, aber Rap war von meiner Jugend bis heute mein Begleiter und wird es auch weiterhin sein.

Alltag: Tatsächlich ist mein Alltag oft eintönig. Abgesehen vom Training gibt es wenig Action. Ich spiele sehr gerne Videospiele, am liebsten natürlich „FIFA“ und unternehme auch gerne etwas mit den Jungs aus der Mannschaft. Wir gehen dann essen oder schauen zusammen andere Fußballspiele. Ich glaube, so sieht der Alltag bei einigen Fußballspielern aus, man nutzt den Tag, um sich auszuruhen und ein bisschen von dem Druck und Stress abzuschalten.

Zuschauer: Unseren Zuschauern würde ich gerne ein besonderes Lob aussprechen. Ob bei Heim- oder Auswärtsspielen – ihr steht immer zu 100% hinter uns, ihr macht uns stark. In der Kabine reden wir oft über euch und wie beeindruckend ihr während des Spiels wieder Stimmung gemacht habt. Ich hoffe, das bleibt immer so!

Online: Wenn ich im Netz bin, verbringe ich am meisten Zeit auf Instagram. Ich bin zwar auch auf Facebook, aber Instagram ist in den letzten Jahren stark gewachsen und interessanter geworden. Wenn ich PlayStation spiele, dann nur online gegen andere Spieler aus der ganzen Welt. Trotzdem bin ich definitiv kein Typ, der den ganzen Tag vorm Handy hängt oder PlayStation spielt. Da ist es mir wichtiger, mit meinen Freunden unterwegs zu sein. Und dann habe ich mein Handy auch nie in der Hand, das ist unhöflich.

Regionalliga: 2015 bin ich von der Jugend des VfL Bochum in die zweite Mannschaft von Borussia Dortmund gewechselt und stand zwei Jahre in der Stammelf des Regionalliga-Teams. Oft trainierten wir auch mit der ersten Mannschaft, ich habe in beiden Teams viele tolle Menschen kennengelernt und Freunde gefunden. Darunter einen sehr besonderen: Marvin Ducksch und ich haben ein Jahr zusammen bei Borussia Dortmund gespielt. Weil mein Weg aus Essen nach Dortmund recht lang war, hat mich Marvin ab und zu bei sich übernachten lassen, unsere Freundschaft hält auch immer noch. Als ich im Sommer 2017 verschiedene Angebote bekam und nicht genau wusste, wohin ich wechseln sollte, hat letztendlich auch Marvin (Ducksch, d. Red.) dafür gesorgt, dass ich mich für Kiel entschieden habe. Er hat mir viel Gutes von der Mannschaft, den Trainern und der Stadt erzählt.

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