Lasse Rosenboom ging stets den Extra-Meter, um es in den Profifußball zu schaffen. Seine Willensstärke zeichnet das Nordlicht aus.
Ostfriesland ist vor allem berühmt für seine Teekultur und die plattdeutsche Sprache. Für seine Persönlichkeiten ist die Region an der Nordsee hingegen weniger bekannt, schließlich liegt Ostfriesland abgeschieden und auch eine Großstadt sucht man dort vergebens. Wer es dort schaffen will, muss besonders fleißig sein. So wie der gebürtig aus Aurich stammende Lasse Rosenboom, der im Sommer 2023 zu unseren Störchen kam. „Ich habe nach der Schule meinen Rucksack genommen und bin zum Bahnhof gelaufen, um dann mehr als eine Stunde zum Training nach Oldenburg zu fahren“, erinnert sich der 23-Jährige. „Ich war erst gegen zehn Uhr abends wieder zuhause, am nächsten Tag ging es dann wieder von vorne los.“
Boßeln statt Fußball
Im dünn besiedelten Ostfriesland sind die Wege weit, auch für jemanden, der den Traum vom Profifußball verfolgt. „Wir haben ein paar Legenden, wie Dieter Eilts, aber es schaffen nicht viele“, sagt Rosenboom. Der größte Verein der Region ist der Regionalligist Kickers Emden, statt für Fußball ist Ostfriesland eher für das bei Lasse Rosenboom sehr beliebte Boßeln bekannt.
Von seinem Heimatclub TuS Holtriem, wo Rosenboom mit vier Jahren das Fußballspielen begann, ging es zur JFV Norden nach Oldenburg. Mit 15 Jahren dann der Wechsel zum SV Werder Bremen. „Meine gesamte Familie besteht aus Werder-Fans“, sagt Rosenboom. Über die U17 und U19 des SVW ging es für den 1,90 Meter großen Schienenspieler in die U23 der Grün-Weißen. „Ich habe immer mal wieder bei den Profis trainiert und Testspiele mitgemacht – am Ende war ich aber doch relativ weit weg vom Profikader“, gibt Rosenboom offen zu. Auch kleinere Verletzungen hätten diesen Sprung verhindert.

Nach sechs Jahren, in denen Rosenboom teilweise direkt hinter der Ostkurve des Weserstadions wohnte, und 52 Einsätzen für die U23 von Werder wechselte das Nordlicht dann an die Kieler Förde. „Wir sind überzeugt davon, dass er das Potenzial hat, bei uns den nächsten Schritt zu machen“, sagte der damalige Geschäftsführer Sport Uwe Stöver nach dem Transfer im Sommer 2023.


Diesen Schritt musste sich der blonde Lockenkopf allerdings hart erarbeiten. 17 Minuten stand Rosenboom in der Hinrunde der vergangenen Zweitliga-Saison 2023/24 nur auf dem Rasen, verteilt auf drei Partien. Spielpraxis holte er sich in der U23 unserer KSV Holstein in der Regionalliga – oft auf eigenen Wunsch: „Die Spiele bringen dir am meisten“, hält der Auricher fest. 14-mal lief „Rose“, wie er in der Mannschaft genannt wird, für die Jungstörche auf und bereitete vier Treffer vor. Seine Hartnäckigkeit sollte sich zum Ende der Saison auszahlen.
Ein besonderes Startelfdebüt
Ausgerechnet vor dem entscheidenden Spiel um den Aufstieg in die Bundesliga gegen Fortuna Düsseldorf beorderte Coach Marcel Rapp Rosenboom in die Startelf, weil Timo Becker verletzt fehlte. An diesen Tag erinnert er sich noch ganz genau: „Das Spiel war abends und ich war den ganzen Tag vorher im Hotel. Als der Mittagsschlaf anstand, haben mir mein Bruder und mehrere Freunde geschrieben und gefragt, ob ich nervös bin. Meine Antwort war nein. Aber als ich dann die Augen zumachen wollte, kamen die Gedanken: Wir spielen gleich das entscheidende Spiel um den Aufstieg und du bist in der Startelf. Da wurde ich dann schon etwas nervös.“


Doch Rosenboom überzeugte, stellte über 90 Minuten den Düsseldorfer Topstar Christos Tzolis „kalt“, wie Rapp nach dem Spiel festhielt. Der Punktgewinn zum Aufstieg mit anschließendem Platzsturm der Fans und euphorischen Jubelszenen war für den 23-Jährigen „wie ein Traum“. Ein besseres Debüt hätte sich „Rose“ nicht ausmalen können, wie er selbst sagt. Doch neben der Freude über den historischen Aufstieg war das Spiel auch aus einem anderen Grund für Rosenboom besonders. Es war der Moment, in dem er realisiert hat, dass er oben angekommen ist: „Du stehst im Spielertunnel, guckst dir die Gegner an und siehst das 2. Bundesliga-Logo auf den Trikotärmeln. Dann weißt du: Jetzt bist du Profi, jetzt musst du liefern.“
Der „Welt-Spieler“ wird zum Pokalhelden
Ähnlich spektakulär wie die vergangene Saison für Rosenboom zu Ende ging, begann auch die darauffolgende. Im ersten Pflichtspiel der Saison ging es für unsere Störche zu Alemannia Aachen. Nach 80 gespielten Minuten führt der Drittligist mit 2:1. Doch dann wird Rosenboom eingewechselt: Als Joker erzielt er drei Minuten nach seiner Einwechslung den 2:2-Ausgleich, in der Nachspielzeit dann sogar den Siegtreffer. „Er ist ein Welt-Spieler“, freute sich Torwart Timon Weiner nach dem Weiterkommen über die Leistung seines Teamkollegen. Vom DFB wird er als „Man of the Match“ ausgezeichnet. „Dieser Tag war eines der größten Highlights meiner Karriere“, sagt der 23-Jährige rückblickend.

Rosenboom, der sich selbst als „sehr ruhigen Menschen“ beschreibt, musste in der Folge jedoch geduldig bleiben. Zum Auftakt der Bundesliga in Hoffenheim blieb er ohne Einsatz – sicherte sich jedoch am Tag darauf erneut Spielpraxis bei den Jungstörchen. „Da holst du dir die Fitness und bist dann bereit, wenn du in der Bundesliga in der Startelf stehst“ sagt der dynamische Außenbahnspieler über seine Regionalliga-Einsätze gegen Eintracht Norderstedt oder den SV Todesfelde. In der Bundesliga-Startelf sollte Rosenboom dann erstmals am fünften Spieltag gegen Eintracht Frankfurt stehen, in den Wochen darauf kam er jedoch nicht mehr zum Zug. „Ich wusste, dass ich mich hintenanstellen muss und habe an mir gearbeitet.“


Mit Erfolg: Zum Ende der Hinrunde spielte sich „Rose“ auf der rechten Schiene fest. Als Kind hat der Auricher oft „Tage wie diese“ von den Toten Hosen gehört. Der Liedtext ist dabei ziemlich passend für die vergangenen Wochen des Lasse Rosenboom: Beim spektakulären 5:1-Sieg gegen den FC Augsburg erzielte der 23-Jährige seinen ersten Bundesligatreffer – und ließ seiner Freude darüber mit einem wahren Urschrei freien Lauf. Von der DFL wurde er als „Rookie Of The Month“ für den Monat Dezember nominiert und belegte hinter Frankfurts Nathaniel Brown den zweiten Platz – noch vor Bayerns Michael Olise. „In dem Spiel ist mir der größte Stein vom Herzen gefallen“, sagt Rosenboom, „da habe ich gemerkt: Jetzt sind wir da.“


So richtig da war Rosenboom auch gegen Borussia Dortmund zum Abschluss der Hinrunde: Beim mitreißenden 4:2-Sieg gegen den Champions League-Finalisten bereitete der laufstarke Außenspieler mit einer maßgenauen Flanke das 2:0 durch Phil Harres vor, mit dem Rosenboom noch knapp drei Monate zuvor in Todesfelde vor rund 500 Zuschauern gemeinsam auf dem Rasen stand.
Rosenboom, der bekennender Neymar-Fan ist, hat für seine fußballerische Laufbahn noch große Ziele: „Mein großer Traum ist die Champions League.“ Mit seinem Willen, den Extra-Meter zu gehen, scheint für „Rose“ aktuell kein Ziel unerreichbar zu sein.