Geschichte und Geschichten FCA

Geschichte und Geschichten: Die Legende von Rosenau

Holstein-Fan Wolfgang Eichinger erlebte in Augsburg als Jugendlicher (sport-)historische Ereignisse hautnah mit.

Niemand konnte früher so recht verstehen, dass eine rund 260.000 Einwohner zählende Kommune wie Augsburg, die seit jeher den Ruf einer Sportstadt hatte, bis vor einigen Jahren eigentlich nie wirklich ein Fußball-Bein auf den Tisch bekam. In so einer Stadt mit ihren zahlreichen Olympiasiegern, Weltmeistern, etlichen Silberlorbeerblattträgern und Sportlern des Jahres, die seit 1972 sogar den Beinamen Olympiastadt besitzt, wäre doch eigentlich mehr möglich gewesen. Wir wollen auf Spurensuche gehen.

Der gebürtige Preetzer Wolfgang „Ted“ Eichinger (geb. 18. Mai 1949) ist ein wandelndes Lexikon. Für den ehemaligen Gymnasiallehrer für Geschichte und Englisch am Ernst-Barlach-Gymnasium in Projensdorf, der von 1952 bis 1964 seine frühe Kindheit und Jugend in der heutigen Stadt Neusäß im Landkreis Augsburg verbrachte, ist das Gastspiel der Fußballer mit dem Zipfel der Zirbelkiefer im Wappen kein Spiel wie jedes andere. Für den 75-Jährigen werden gegen den FC Augsburg zahlreiche Erinnerungen wach.

Der ehemalige Lehrer Wolfgang Eichinger.
Eichinger bei einem Besuch bei Holstein Kiel.

Amerikanische Besatzungszone

Zwischen Lohwald und Kobelwald, in denen Naturfreunde voll auf ihre Kosten kommen, sowie auf den damals noch fünf aktiven Bauernhöfen, erlebte Eichinger die Nachkriegszeit in einem spannenden Umfeld. Augsburg war Standort der 7708 War Crimes Group, die bis 1949 für die Durchführung der Dachauer Prozesse zur Verfolgung und Aburteilung deutscher Kriegsverbrecher in der amerikanischen Besatzungszone verantwortlich war. Die US-Garnison Augsburg existierte bis 1998. In diesem Zeitraum waren zahlreiche Einheiten der US Army in der Fugger-Stadt stationiert. Der junge Wolfgang wuchs Seite an Seite mit den Kindern der amerikanischen Besatzer auf, übernahm dabei nicht nur deren Begeisterung für Folk- und Countrymusik und die Vereinigten Staaten als Reiseziel, sondern kann sich durch den frühen und engen Kontakt mit der englischen Sprache tatsächlich als Muttersprachler bezeichnen. Dies erleichterte ihm später den Einstieg in den Lehrerberuf natürlich erheblich – und auch seiner kleinen, aber feinen Karriere als Country-Musiker in die Karten spielte.

Augsburg hat seine Wurzeln im Römischen Reich und zählt zu den ältesten Städten Deutschlands

Die Fusion und ein denkwürdiges Duell

Ein weiterer spannender Aspekt im Leben des jungen Wolfgang war das Ehrenamt, das sein Vater beim damaligen Fußball-Erstligisten Schwaben Augsburg in der Oberliga Süd innehatte. „So war ich häufig mit Vaddern bei den Heimspielen und erlebte Spiele gegen die großen Mannschaften wie den Club oder die Sechzger aus München. In der Stadt gab es noch den Konkurrenzverein BC Augsburg, der, im Vorort Oberhausen verortet, ebenfalls ein Jahrzehnt lang Mitglied der erstklassigen Oberliga war. Die Rivalität zwischen den bürgerlichen Schwaben und dem BCA heizte das Interesse an. „Die BCA´ler schaffen doch nie den Sprung über die Wertachbrücke“, so die süffisante Maxime der Schwaben. Wobei die Brücke sozusagen die Grenze zwischen der Vorstadt im Norden und Stadtkern/Süden bildete. Später fusionierten die Schwaben und der BC zum heutigen FC Augsburg und verpassten als Regionalliga-Meister 1974 nur knapp die Bundesliga“, berichtet Eichinger. Zwar reichte es nicht zum Aufstieg, doch der FC Augsburg war in der Saison 1973/74 an einem der denkwürdigsten Ligaspiele beteiligt. Beim Regionalliga-Duell zwischen 1860 München und dem FCA wurde ein Zuschauerrekord für die Ewigkeit aufgestellt. Rund 90.000 Zuschauer wollten sich das Lokalderby im Münchner Olympiastadion damals nicht entgehen lassen. Über 30.000 Anhänger aus der Fuggerstadt begleiteten ihren Verein und sorgten für überfüllte Züge und Stau auf der Autobahn. Als die Partie bereits läuft, stehen noch Tausende Anhänger vor den Kassenhäuschen. Die Begegnung selbst gerät angesichts des riesigen Zuschaueraufkommens ein wenig zur Nebensache. Sie endet übrigens 1:1.

Holstein-Fan Wolfgang Eichinger verbrachte seine Kindheit in Augsburg.

Fußball-Legende Helmut Haller

Die größte Augsburger Fußball-Legende ist bis heute ohne Zweifel Edeltechniker Helmut Haller, der von 1957 bis 1962 stolze 85-mal für BC Augsburg in der erstklassigen Oberliga Süd auflief und dann als einer der allerersten Deutschen in die italienische Profiliga wechselte. Mit dem FC Bologna und Juventus Turin gewann Haller dreimal den Scudetto, den italienischen Meistertitel. Haller nahm darüber hinaus 1962, 1966 und 1970 an der Fußball-WM teil. An ein Livespiel mit Haller kann sich Eichinger jedoch nicht mehr bewusst erinnern: „Ich war doch noch recht jung und Haller ging als einer der Ersten ins Ausland. Und als er 1973 aus Italien wieder nach Augsburg zurückkehrte, war ich mit meiner Familie schon wieder in meiner Preetzer Heimat.“

Puppenkiste und Rote Laterne

Auch Kurioses gibt es aus der Augsburger Vergangenheit zu berichten. Der FC Augsburg kooperierte lange mit dem bekannten Marionettentheater Augsburger Puppenkiste. Im Rahmen der Kooperation tippte das Kasperle vor jedem Heimspiel das Ergebnis. Ebenfalls kurios die Herkunft des Begriffes “Rote Laterne”, die noch oft für den Tabellenletzten im Fußball verwendet wird. In einem Spiel der erstklassigen Oberliga Süd lief der damalige Tabellenletzte Schwaben Augsburg in den 50er Jahren der Erzählung nach mit einer roten Schlussleuchte auf, die man ansonsten als Schlussleuchte der Eisenbahn kannte. Ein schönes Sinnbild, das bis heute überlebt hat.

Das Rosenaustadion wurde Anfang der 50er-Jahre eröffnet.
Der BC Augsburg in der Saison 1958/59.

Deutschland gegen die UdSSR

Aus wenn der bekennende Bayern-Fan Eichinger bis heute ein großer Freund des runden Leders ist und zahlreiche Fußball-Schlachten in Augsburg live miterlebte, das „tollste Erlebnis“ im alten Rosenaustadion war für ihn der Leichtathletik-Länderkampf der Bundesrepublik gegen die schier unbesiegbare UdSSR im Sommer 1959. Die ganze Stadt stand in den Wochen vor dem Ereignis Kopf und der junge Wolfgang Eichinger hatte im Sportunterricht am damaligen Realgymnasium – und heutigen Peutinger-Gymnasium – ein Ticket gewonnen. 85.000 Zuschauer waren an den beiden Wettkampftagen insgesamt dabei und Deutschland siegte am Ende mit seinem Laufwunder Ludwig Müller sensationell. Der gewonnene Länderkampf wird bis heute von manchen Zeitzeugen als zweitgrößtes Wunder in der deutschen Sportgeschichte, vier Jahre nach dem WM-Sieg von Bern und gegen einen noch größeren Gegner gesehen. Eichinger schwärmt noch heute, 65 Jahre später: „Der Ludwig Müller musste mit geliehenen und viel zu kleinen Laufschuhen antreten. Nach seinem Sensationssieg gegen die russischen Weltklasseläufer war er ein echter Volksheld, BILD-Zeitungs-Titelseite inklusive!“

Häme für die „Datschiburger“

Eichinger erinnert sich aber auch noch lebhaft daran, dass sich Augsburg nie so richtig aus dem Schatten Münchens lösen konnte. Die Augsburger wurden von den Münchener „Weltbürgern“ auch als „Datschiburger“ bezeichnet, benannt nach dem gleichnamigen schwäbischen Pflaumenkuchen. Doch der junge Wolfgang wurde nicht nur vom Sport und dem amerikanischen Lifestyle seiner Freunde angesteckt. In der historisch reichen Römerstadt Augsburg fing Eichinger Feuer für die Geschichte, in der Fugger und Welser sowie zahlreiche prächtigen Bauten wie das Rathaus, der Dom oder auch der Perlachturm Aufsehen erregten. Dazu interessierte er sich lebhaft für die Fuggerei, die erste und einzige noch heute bewohnte Sozialsiedlung Europas.

Holstein-Fan Wolfgang Eichinger im Februar 2014 bei der Auswärtsfahrt nach Burghausen.

Lebhafte Erinnerungen

Wenn nun der FC Augsburg erstmals nach dem DFB-Pokal-Achtelfinale im Februar 2019 wieder im Kieler Holstein-Stadion aufläuft, wird sich Wolfgang Eichinger auf der Vortribüne sitzend sicherlich wieder lebhaft zurückerinnern an seine Kindheit und Jugend rund 80 Kilometer abseits der großen bayrischen Metropole. Bei der aktuellen sportlichen Bewertung der Augsburger stellt Eichinger klar: „Durch die Nähe zu München sind die besten Spieler immer schnell abgewandert, und wirklich große Sponsoren waren auch eher Mangelware. Gerade deshalb ist die aktuelle Erfolgsgeschichte des FC Augsburg so bemerkenswert und sympathisch. Vielleicht sogar ein wenig vergleichbar mit dem Kieler Höhenflug des letzten Jahrzehnts.“ Wolfgang Eichinger wird genau hinschauen, wenn um 15.30 Uhr der Anpfiff ertönt, wie sich „seine“ beiden Clubs auf dem Rasen des Holstein-Stadions aus der Affäre ziehen werden…

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